Ärzteverband LAOH zieht gegen die seit Januar gültige Gesundheitsreform vor das Verfassungsgericht in Karlsruhe

Harald Nickel, Rechtsanwalt, NICKEL Rechtsanwälte Partnergesellschaft Hanau/Frankfurt am Main, Dr. med. Thomas Wiederspahn-Wilz, 1. Vorsitzender des Verbandes von operativ und anästhesiologisch tätigen niedergelassenen Fachärzten in Deutschland e.V. (LAOH), und Prof. Dr. Ulrich Rommelfanger, Rechtsanwalt, NICKEL Rechtsanwälte Partnergesellschaft Hanau/Frankfurt am Main, bei der Präsentation der Verfassungsbeschwerde.
  • Bundesregierung verstößt mit Mengenbegrenzung ambulanter Operationen für niedergelassene Operateure gegen das Gebot der Gleichbehandlung.
  • Krankenhäuser haben hingegen keine Mengenbeschränkung und nutzen für ambulante Operationen zudem subventionierte Operations-Säle.
  • Versorgung von Patienten in ländlichen Regionen wird schlechter und teurer, weil Krankenhäuser zu bestehenden ambulanten Strukturen als Konkurrenten auftreten und damit deren Existenz gefährden.


Die in Deutschland im LAOH zusammengeschlossenen ambulanten Operateure und Anästhesisten legen beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen die Ungleichbehandlung ambulanter Operationen im seit Anfang 2011 gültigen GKV-Finanzierungsgesetz (GKV-FinGesetz) ein. Begründung: Während Krankenhäuser so viel ambulant operieren dürfen, wie sie wollen, ist der Mengenzuwachs bei niedergelassenen Operateuren seit Januar „gedeckelt“. Gleichzeitig lehnt der LAOH eine weitere Verschiebung der sektoralen Grenzen zu Gunsten der Krankenhäuser und zu Lasten der Niedergelassenen ab, wie dies aktuell in Hessen gefordert wird.


Verstoß gegen Grundgesetz
Mit dem GKV-FinGesetz verletzt der Gesetzgeber den selbst geforderten Grundsatz des Wettbewerbs im Gesundheitswesen in verfassungswidriger Weise. „So führt die pauschale Begrenzung der extrabudgetären Gesamtvergütung durch § 87 d Abs. 4 SGB V (Sozialgesetzbuch) zwangsläufig zu weniger ambulanten Operationen und insgesamt zu mehr teuren stationären Aufenthalten im ‚nicht gedeckelten‘ Krankenhausbereich“, so die Rechtsanwälte Harald Nickel und der Verfassungsrechtler der NICKEL Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft, Prof. Dr. Ulrich Rommelfanger. Die Bundesregierung nehme in Kauf, dass Krankenhäuser, die bei Investitionen bereits staatlich subventioniert und damit bevorzugt werden, seit Januar auch bei ambulanten Operationen bessergestellt sind.

Seine besondere Note erhalte die gesetzlich gewollte Umwandlung des Gesundheitswesens in einen mehr oder weniger marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaftszweig aber durch die explizite wettbewerbliche „Herausnahme“ der Krankenhäuser aus der gesetzlichen Geltung der Budgetierung und deren dadurch bedingte Besserstellung. So greife die Norm des § 87 d Abs. 4 SGB V unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit der ambulant tätigen Fachärzte ein und verletze überdies das Gebot der Rechtsetzungsgleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz als Grundsatz jeder Honorarverteilung in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Regierung schafft Versorgungswüste
„Unsere Beschwerde richtet sich dagegen, dass der Bundesgesetzgeber in Deutschland staatlich subventionierten Krankenhausträgern die Möglichkeit eröffnet, auch dort nicht budgetiert ambulant tätig zu sein, wo niedergelassene Fachärzte eine hochwertige operative Versorgung wohnortnah – nun unter dem Diktat einer Mengenbegrenzung – sicherstellen“, so der 1. Vorsitzende des LAOH, Dr. Thomas Wiederspahn-Wilz. Indem niedergelassene Fachärzte auf diese Weise einem subventionierten Wettbewerb ausgesetzt werden, sinke deren Bereitschaft, ihre Praxen in schwachbesiedelten Regionen aufrecht zu erhalten oder sich dort niederzulassen. Damit trage die Bundesregierung trotz gegenteiliger Beteuerungen zur Entstehung einer Versorgungswüste auf dem flachen Land bei.

Eine Ausweitung der ambulanten Versorgung durch Krankenhäuser, wie in Hessen gefordert, sei keine Lösung des Versorgungsproblems, denn Krankenhäuser seien in Flächenregionen nur schwach vertreten und verfügten auch nicht über genügend Personal, um in nennenswertem Umfang weitere Aufgaben im Bereich der ambulanten Medizin zu übernehmen. „Hier wäre es sinnvoller, Anreize für Facharztpraxen in ländlichen Regionen zu schaffen“, so Wiederspahn-Wilz.

Ex-Gesundheitsminister hat Grundgesetzverstoß erkannt
Nur wenige Wochen nach Inkrafttreten des GKV-FinGesetz sprach sich der damalige Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler in einem Interview des Handelsblatts vom 22. Februar sowie im März auch in einem Interview mit der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz für die Aufhebung der gerade erst eingeführten Budget-Obergrenzen für ambulantes Operieren aus. Im Handelsblatt sagte Rösler: „Wir müssen für eine bessere Verzahnung von ambulanter und stationärer Behandlung sorgen, auch um Wirtschaftlichkeitsreserven zu heben. Dabei folge ich dem Grundsatz ambulant vor stationär. Es wäre daher nur konsequent, dass die Budget-Obergrenzen für ambulantes Operieren aufgehoben werden. Wo es medizinisch sinnvoll ist, wird damit stärker von der Möglichkeit des ambulanten Eingriffs Gebrauch gemacht“.

„Einen prominenteren Unterstützer unserer Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht, als den früheren Bundesgesundheitsminister, könnten wir uns nicht vorstellen“, erklärte dazu der LAOH-Vorsitzende. Umso unverständlicher sei es allerdings, dass eben jener Minister Rösler die Deckelung ambulanter Operationen für niedergelassene Fachärzte selbst eingeführt habe, deren Sinn er jetzt infrage stelle.

Hier können Sie sich die Pressmitteilung als PDF ansehen.

 

Arztsuche

Finden Sie einen Facharzt in Ihrer Nähe.